Bundesverfassungsgericht zum neuen Strafverbot von Jugendpornographie

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 19.12.2008

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 06.12.2008 (2 BvR 2369/08 und 2 BvR 2380/08) Verfassungsbeschwerden gegen das neue Strafverbot von Jugendpornographie nach § 184c StGB nicht zur Entscheidung angenommen. Interessant ist insoweit die Begründung, welche die Kammer im Hinblick auf bestehende Strafbarkeitsrisiken bei "scheinminderjährigen" Darsteller(inne)n gibt.

Insbesondere sei nicht absehbar, dass gegen die Beschwerdeführer tatsächlich wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 184c StGB ermittelt würde. Übertrage man die Rechtsprechung des BGH zu § 184b StGB alter Fassung auf § 184c StGB neuer Fassung, so ergebe sich daraus zwar in der Tat, dass das Verbreiten pornographischer Filme, an denen „Scheinjugendliche" - also tatsächlich erwachsene Personen, die jedoch für einen objektiven Betrachter minderjährig erscheinen - mitwirken, unter die neue Strafvorschrift fällt.

Dennoch genüge es aber nach Ansicht der Verfassungsrichter nicht, dass die Volljährigkeit der betreffenden Person für den objektiven Betrachter zweifelhaft ist; vielmehr müsste der Beobachter umgekehrt eindeutig zu dem Schluss kommen, dass jugendliche Darsteller beteiligt sind.

Ein ernsthaftes Strafbarkeitsrisiko lasse sich danach allenfalls annehmen, wenn und soweit in pornographischen Filmen auftretende Personen ganz offensichtlich noch nicht volljährig sind, etwa dann, wenn sie (fast) noch kindlich wirken und die Filme somit schon in die Nähe von Darstellungen geraten, die als (Schein-) Kinderpornographie unter den Straftatbestand des § 184b StGB fallen.

Wortlaut des Beschlusses BVerfG, 06.12.2008 - 2 BvR 2369/08 und 2 BvR 2380/08

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5 Kommentare

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Also, wenn durch das neue Gesetz angeblich nur Darstellungen erfaßt sind, die man ohnehin schon dem bisherigen 184b zuschlagen würde... *wozu* war dann das neue Gesetz noch gleich nötig?

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Diese Entscheidung umschifft meines Erachtens die wirklichen Schwierigkeiten dieser Norm, nämlich den unklaren Strafzweck.

Will der Gesetzgeber denn die jugendlichen Darsteller "vor sich selbst schützen", im Sinne eines (mE. fragwürdigen) "präventiven Schutzes von Persönlichkeitsrechten" von möglicherweise erst 15, 16 oder 17 jährigen Porno-Darstellern, die, einem gedanklichen Synthese-Prozess des Gesetzgebers folgend, in ihrem späteren Erwachsenen-Leben Nachteile durch ihre Porno-Tätigkeit erleiden könnten?

Dann hätte der Gesetzgeber sein Ziel bei Auslegung der Norm nach dem BVerfG ja nicht erreicht. Konsumenten wie Produzenten könnten sich auf die Un-Eindeutigen Kindheits-Eigenschaften bei älteren jugendlichen Darstellern berufen, und wenn nicht besser wissend (Vorsatz), vertreiben und verleihen.
Es könnte weiterhin mit 16- oder 17jährigen produziert werden, sofern diese gut und gern auch auf 18 geschätzt werden könnten und sie von der Produktionsfirma auf 18 oder älter definiert werden.

Geht man beim Strafzweck hingegen von der (mE. noch fragwürdigigeren) Theorie einer abstrakt postulierten, nicht empirisch belegten, angeblichen Nachfrage-Induktion, oder einer Ausweitung realer ungesetzlicher Übergriffe oder einer Generalisierung der Neigung zu immer noch jüngeren Partnern aus, den der Konsum von Pornographie mit allgemeine gesprochen "jugendlich Aussehenden" mit sich bringen soll, so hätte der Gesetzgeber bei dieser Auslegung sein Ziel ebenfalls nicht erreicht, da sich Pornographie- Konsumenten nach wie vor mit Material stimulieren können, in denen die Darsteller zumindest jugendlich wirken.
Damit wäre die innerhalb der Theorie vorliegende Abstrakte Gefahr weiterhin vorhanden.

Drittens bleibt ein meines Erachtens ein weiteres Problem des Beschlusses: Die Konstruktion eines überschätzten "Beobachters", dessen kognitive Fähigkeiten nur idealisiert möglich sind. Die korrekte Einschätzung von Kindheits-Merkmale (auch wenn sie als evolutionäre Faktoren in der Biologie formal beschreibbar sind) sind zu einem großen Teil kulturell mit-erlernt, und damit vor allem auf den eigenen Kulturkreis beschränkt!

Praktisch gesprochen könnte Ihnen, wenn Sie Europäer sind, ein 18jähriger kleiner Thai-Jugendlicher durchaus wie ein 13jähriger oder 14jähriger Junge erscheinen. Bei einem 17jährigen, japanischen Mädchen wird es ebenso von der kulturellen Übung oder Nicht-Übung des Betrachters abhängen, ob er darin eindeutige kindliche Züge wiedererkennt oder nicht.

Das Strafbarkeits-Risiko darf aber nicht davon abhängen, aus welcher Ethnie die Darsteller kommen oder über welche interkulturelle Gesichts- und Körper-Erkennungs-Kompetenz hinsichtlich des Alters bei dem konstruierten Betrachter vorliegt!

Die Problematik liegt mE also in der (unbemerkten) eigenkulturellen Begrenzung der Betrachter-Fiktion.
Damit wird ein ganzer Satz von Problemen vom Beschluss ausgespart.

Letztlich bleibt die ganze Norm meines Erachtens aber vor allem wegen des nebulösen Strafzwecks weiterhin unhaltbar.

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Was bedeutet diese Entscheidung eigentlich für Zeichnungen, Trickfilme, Texte etc.?
Sind die automatisch aus dem Schneider, wenn der Ersteller nicht explizit das Alter der fiktiven Beteiligten als minderjährig darstellt? Denn wenn es bei realen Personen schon schwierig ist, jemanden eindeutig als minderjährig zu identifizieren, so wird man dies bei diesen Formen der Darstellung wohl erst recht nicht können.

Und wie steht es mit Schulmädchenuniformen und anderen Accessoires möglicher Minderjährigkeit?

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