Schwer zu begründen: Nötigung im Straßenverkehr durch allmähliches Abbremsen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 13.02.2009

Der Fachdienst Strafrecht weist auf eine Entscheidung des OLG Celle zur Nötigung (§ 240 StGB) im Straßenverkehr hin, die für die Praxis von hoher Bedeutung ist (OLG Celle, Beschluss vom 03.12.2008 - 32 Ss 172/08; BeckRS 2009, 03921). Danach kann grundsätzlich auch das allmähliche "Herrunterbremsen" des nachfolgenden Fahrzeugs eine Nötigung darstellen. Aber: Wie immer sind die Hauptprobleme die tatsächlichen Urteilsfeststellungen, soll es zu einem Urteil wegen Nötigung kommen. Aus der Besprechung von Rechtsanwalt Gernot Zimmermann:

"Das so genannte Ausbremsen eines Verkehrsteilnehmers durch einen anderen Kraftfahrer kann sich als Gewalt in dem vorgenannten Sinn darstellen, da von dem abgebremsten Fahrzeug nicht nur eine psychische Zwangswirkung ausgeht, sondern der Täter durch die Errichtung eines physischen Hindernisses mittels seines Fahrzeugs jedenfalls auch auf die Entschlussfreiheit des nachfolgenden Fahrers einwirkt. Dementsprechend ist anerkannt, dass eine strafbare Nötigung durch Anwendung von Gewalt in den Konstellationen der so genannten Vollbremsung vorliegt, indem der dem Täter nachfolgende Kraftfahrer zum Anhalten gezwungen wird. Darüber hinaus kann eine Nötigung durch Anwendung von Gewalt auch darin liegen, dass der Täter stark reduziert und dadurch den Fahrer des nachfolgenden Fahrzeugs zu einer unangemessen niedrigen Geschwindigkeit zwingt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Fahrer des dem Täterfahrzeug nachfolgenden Fahrzeugs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das ihm durch den Vordermann aufgezwungene Verhalten nicht durch Ausweichen oder Überholen vermeiden kann.

Nach den vorgenannten Maßstäben lassen die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen nicht ausreichend eine Gewaltanwendung im Sinne von § 240 StGB erkennen. Der von der Kammer festgestellte Vorgang einer Geschwindigkeitsverringerung durch den Angeklagten erweist sich nicht als ein solch abruptes Abbremsen, das die Zeugin ebenfalls zu einem solchen Bremsvorgang oder gar zu einer Vollbremsung gezwungen hätte. Die Zeugin kam 2-3 Fahrzeuglängen hinter dem Angeklagten zum Stehen. Insoweit ist kein von dem Verhalten des Angeklagten ausgehender körperlich wirkender Zwang festzustellen.

Ebenso mangelt es an ausreichenden Feststellungen zu den von der Kammer angenommenen tatsächlichen Gründen, die es der Zeugin unmöglich gemacht hätten, an dem Fahrzeug des Angeklagten vorbeizufahren bzw. dieses zu überholen. Zwar geht die Kammer zur Beurteilung des Tatbestandsmerkmal «Gewalt» in § 240 StGB im Ansatz zu recht davon aus, dass selbst bei einer allmählich erzwungenen Reduktion der Geschwindigkeit des dem Täterfahrzeug nachfolgenden Pkw eine strafbare Nötigung vorliegen kann, wenn tatsächliche Gründe ein Ausweichen oder Überholen verhindern. Allerdings enthält das angefochtene Urteil keine nähere Ausführungen dazu, um welche «tatsächlichen Gründe» es sich vorliegend gehandelt haben soll. Das etwaige Vorhandensein von Gegenverkehr, ein das Überholen verhindernden Straßenverlauf oder rechtliche Hindernisse, etwa in Gestalt eines Überholverbots in dem fraglichen Streckenabschnitt, sind nicht festgestellt. Der knappe Hinweis auf die Angst der Zeugin vor dem verkehrswidrigen Verhalten des Angeklagten gestattet keinen tragfähigen Schluss auf die tatsächlichen Gründe, die das Überholen oder Ausweichen verhinderten, wenn nicht nähere Feststellungen zu dem Verkehrsverhalten in der konkreten Situation getroffen werden."

Zur Nötigung im Straßenverkehr: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen, 3. Kapitel Rn. 189 ff.

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