ArbG Hamburg zur Mitbestimmung bei Anwendung von ChatGPT

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.03.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1120 Aufrufe

ChatGPT und andere auf KI gestützte Anwendungsprogramme werden das Arbeitsleben aller Voraussicht nach künftig stark beeinflussen. Das wirft zahlreiche Rechtsfragen in allen Bereichen des Arbeitsrechts auf. Ein Schwerpunkt wird dabei auf den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats liegen. Einer der ersten Entscheidungen zu dieser Thematik stammt vom ArbG Hamburg (16.1.2024 – 24 BVGa 1/24, NZA-RR 2024, 137) und ist mit Interesse aufgenommen worden. In dem entschiedenen Fall sträubte sich der Betriebsrat gegen den Einsatz von ChatGPT und wollte per Eilantrag eine entsprechende Verbotsverfügung erreichen.

Der Arbeitgeber, ein Hersteller im Bereich der Medizintechnik, wollte für seine Mitarbeiter die generative KI als neues Werkzeug bei der Arbeit zur Unterstützung – auf freiwilliger Basis und, soweit solche anfallen, auf eigene Kosten – nutzbar machen. Die Software sollte dabei nicht auf den Computersystemen der Arbeitgeberin installiert werden. Zur Nutzung der Tools – mittels Webbrowser – mussten die Mitarbeiter einen eigenen, privaten Account auf dem Server des jeweiligen Anbieters anlegen.

Das ArbG Hamburg mustert alle in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestände der Reihe nach durch, in allen Fällen mit einem negativen Ergebnis. Die Anweisung gegenüber Arbeitnehmern zur Nutzung von ChatGPT als Arbeitsmittel unterliege keiner Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da sie nicht das Ordnungs-, sondern ausschließlich das Arbeitsverhalten betreffe. Eine solche Anweisung unterliege auch nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, sofern der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die Datenbestände und Chatverläufe von ChatGPT habe, etwa weil er nicht über die Accountdaten zur Anmeldung verfüge, sondern diese ausschließlich über private Accounts der Arbeitnehmer erfolge. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit des Konzerns, wer Chatbots einsetze, erfolge hier durch angeordnete Mitteilung des Arbeitnehmers selbst und nicht durch das Tool. Der verwendete Webbrowser zeichne andererseits zwar Nutzungsdaten auf, aber bezüglich der Verwendung von Browsern sei bereits vorher eine Konzernbetriebsvereinbarung über Webbrowser geschlossen worden. Ebenfalls sei ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht ersichtlich. Eine hierfür erforderliche konkrete Gefährdung sei nicht erkennbar. Schließlich wird auch ein Anspruch aus § 90 BetrVG abgelehnt. Diese Vorschrift gewähre lediglich Unterrichtungs- und Beratungsrechte, aber kein Mitbestimmungsrecht, das den Arbeitgeber an einer einseitigen Durchführung der Maßnahme hindern könnte. Daher würde eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Beseitigung oder Unterlassen einer Maßnahme über den Hauptanspruch hinausgehen.

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