Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen bei Kleinstbetrieben – kein automatischer Nachweis und auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (FG Düsseldorf v. 15.1.2024 – 6 K 2095/22 K,G,F)

von Gastbeitrag Steuerrecht, veröffentlicht am 03.05.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|1141 Aufrufe

Die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG war lange Zeit unionsrechtlich "lahmgelegt" - jetzt erwacht sie zu neuem Leben! Der lange Stillstand bedeutet auch, dass wenig Rechtsprechung zu Detailfragen existiert. Eine dieser Fragen hat nun das FG Düsseldorf - am Schnittpunkt zwischen Erbschaftsteuerrecht und § 8c KStG - zuungunsten der Körperschaften entschieden. Dr. Katrin Dorn, StB, arbeitet die Entscheidung in ihrem Gastbeitrag auf.

Durch die Veräußerung aller Anteile an einer GmbH in 2019 wurde ein schädlicher Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG ausgelöst. Die Klägerin wollte nunmehr die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG in Anspruch nehmen, damit die Verluste erhalten bleiben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen nachgewiesen werden kann. Dafür sieht das Gesetz in § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG in den Nummern 1 bis 3 insgesamt drei Möglichkeiten vor, von welchen im vorliegenden Fall jedoch weder die Nummer 1 (Körperschaft befolgt eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung) noch die Nummer 3 (Körperschaft werden durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt) erfüllt waren.

Daher wollte die Klägerin die Ausnahmeregelung des § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 2 KStG in Anspruch nehmen. Diese Regelung wiederum greift auf die sog. Lohnsummenregelung zurück, welche das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung von Betriebsvermögen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 13a ErbStG vorsieht. Diesen Nachweis konnte die GmbH jedoch nicht erbringen, weil sie selbst nicht unter den Anwendungsbereich der Lohnsummenregelung fällt: Sie hat dafür zu wenige Arbeitnehmer. Die Klägerin begehrte daher, dass die Regelung für die GmbH als „Kleinstbetrieb“, der nicht unter die Lohnsummenregelung fällt, als erfüllt gelten muss. Bei sachgerechtem Verständnis sei der Verweis auf die Lohnsummenregelung so auszulegen, dass die Voraussetzung stets als erfüllt gelten. So dürfte die in § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 2 KStG angeordnete sinngemäße Anwendung der Ausnahmeregelung insbesondere nicht zu einer Benachteiligung der Betriebe führen, die vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Nach Auffassung des Finanzamts steht die Ausnahmeregelung diesen Betrieben jedoch nicht offen. Daher lehnte es im vorliegenden Fall eine Inanspruchnahme der Sanierungsklausel ab. Dagegen richtete sich die Klage vor dem zuständigen FG Düsseldorf.

Das Finanzgericht hat mit seinem Urteil vom 15.1.2024 (6 K 2095/22 K,G,F, BeckRS 2024, 2695) die Klage als unbegründet abgewiesen und in Übereinstimmung mit dem zuständigen Finanzamt eine Anwendung der Sanierungsklausel unter Rückgriff auf die Lohnsummenregelung verwehrt. Nach Auffassung des FG gebe es grundsätzlich drei Möglichkeiten, den erforderlichen Nachweis für den Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen zu erbringen. Für Unternehmen, die nicht unter die Lohnsummenregelung fallen, stehen dabei jedoch nur zwei Möglichkeiten offen, um das Tatbestandsmerkmal des Erhalts der wesentlichen Betriebsstrukturen iSd § 8c Abs. 1a S. 2 KStG zu erfüllen. Gleichwohl dürfte dabei das Merkmal nach § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 2 KStG (Lohnsummenregelung) nicht als erfüllt gelten. Aus der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung sei ersichtlich, dass hier eine Ausnahmeregelung geschaffen werden solle. Konkret heißt es darin (BT-Drs. 16/13429, S. 51): „Das Merkmal der Erhaltung der bisherigen Betriebsstruktur ist nur erfüllt, wenn Arbeitsplätze erhalten werden oder eine Betriebsvereinbarung über Arbeitsplätze geschlossen wird oder durch Einlage wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird. Erforderlich ist, dass zumindest eines der Merkmale erfüllt ist.“ Aus dieser Begründung sei nicht ersichtlich, dass für Kleinstbetriebe eines der Merkmale per se erfüllt wird. Auch sieht das Gericht darin keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des GG. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das FG die Revision beim BFH zugelassen. Diese ist dort unter dem Az. I R 9/24 anhängig.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob die Ausnahmeregelung des § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 2 KStG für Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich der sog. Lohnsummenregelung (§ 13a Ab. 3 und 4 ErbStG) fallen, überhaupt offensteht. Dazu lag bislang, soweit ersichtlich, noch keine Entscheidung eines Finanzgerichts vor.

In der Literatur wird diese Frage unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird vertreten, dass dieser Nachweis von diesen Unternehmen nicht erbracht werden kann, d. h. diesen Kleinstbetrieben, überhaupt nicht offensteht (so ausdrücklich OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018, BeckVerw 445611, Tz. 18; ebenso im Schrifttum Brandis in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, KStG, § 8c Rn. 76; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8c KStG Rn. 334; Lang in Bott/Walter, KStG, § 8c Rn. 175; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2009, 466, 468; Lang, DStZ 2009, 751, 755; Neumann/Stimpel, Der Konzern 2009, 409, 413; Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 1453, 1455; Mückl/Remplik, FR 2009, 689, 695). Zum anderen Teil wird vertreten, dass die Lohnsummenregelung bei diesen Unternehmen stets als erfüllt anzusehen ist (Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8c KStG Rn. 85; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG § 8c Rn. 207; Hackemann in Mössner/Oellerich/Valta, KStG, § 8c Rn. 541).

Das FG Düsseldorf hat sich nun für die erste Alternative entschieden und die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt. Für die betroffenen Steuerpflichtigen und Unternehmen ist dies natürlich wenig erfreulich, auch wenn die Argumentation des Finanzgerichts nachvollziehbar und auch überzeugend ist. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob der BFH der Auffassung der FG Düsseldorf folgt. Bis der BFH hier mit dem Revisionsverfahren I R 9/24 für Rechtsklarheit sorgt, sollten Kleinstbetriebe nach Möglichkeit die Ausnahmen der § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 1 und 3 KStG beanspruchen.

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