Temporäre gewerbesteuerliche Verstrickung nach Umwandlung - aber nur teilweise (BFH v. 14.3.2024 – IV R 20/21)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 03.05.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2588 Aufrufe

Temporäre gewerbesteuerliche Verstrickung – die droht u.a. demjenigen, der eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft unter dem Umwandlungssteuergesetz (§ 1 Abs. 1 UmwStG) umwandelt (BFH v. 28.4.2016 – IV R 6/13, BStBl. II 2016, 725, Rn. 14). Wer zB eine wertlose Kapitalgesellschaft entsorgen will und sie auf seine wertvolle Personengesellschaft verschmilzt (statt sie anderweitig zu liquidieren oder zu „beerdigen“), bekommt es mit der Sperrfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG zu tun: Für fünf Jahre – gerechnet ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 UmwStG) – wird der „Sondertatbestand der Gewerbesteuerpflicht“ (BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 18.11) ausgelöst.

Als Besonderheit unter den „Nachverhaltenssperrfristen“ des Umwandlungssteuergesetzes (§ 6 Abs. 3 UmwStG; § 15 Abs. 2 Satz 3 ff. UmwStG; § 22 UmwStG) wird eine Verletzung jedoch gerade nicht als rückwirkendes Ereignis auf den steuerlichen Übertragungsstichtag gewürdigt (anders z.B. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG; BFH v. 18.11.2020 – I R 25/18, BeckRS 2020, 47531). Vielmehr werden die im Zeitpunkt der Verletzung vorhandenen stillen Reserven aufgedeckt. Gewerbesteuerlich werden diese dann entgegen den sonst anwendbaren Grundsätzen bei der Veräußerung von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen (u.a. § 7 Satz 2 GewStG) der Gewerbesteuer unterworfen. Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG wird hingegen verweigert (§ 35 Abs. 1 Satz 3 EStG; § 18 Abs. 3 Satz 3 UmwStG).

Daraus resultieren Friktionen: Sowohl das übergehende Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft als auch das „bereits vor der Umwandlung im Betrieb der übernehmenden Personengesellschaft“ vorhandene Betriebsvermögen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UmwStG) werden gewerbesteuerlich temporär verstrickt (BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 18.09). Ein „step-up“ auf gemeine Werte ist insoweit allerdings nur für das übergehende Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft denkbar (§ 3 Abs. 1 UmwStG; § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), während das bereits zuvor bei der übernehmenden Personengesellschaft vorhandene Betriebsvermögen einen solchen nicht einmal theoretisch erhalten kann (BeckOK GewStG/Weiss GewStG § 7 Rn. 84.5 f.). Beim Formwechsel in die Personengesellschaft, der ebenfalls § 18 Abs. 3 UmwStG auslöst, gibt es letztere Problematik allerdings nicht, da die Kapitalgesellschaft und die Personengesellschaft zivilrechtlich identisch sind (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

Was geschieht aber mit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 UmwStG) neu gebildetem Betriebsvermögen? Bei der übernehmenden Personengesellschaft gehört hierzu auch das Sonderbetriebsvermögen (R 4.2 Abs. 2 EStR). Diese war in einem neuen Urteil des BFH (BFH v. 14.3.2024 – IV R 20/21, BeckRS 2024, 8869) dadurch zustande gekommen, dass eine Einmann-GmbH formgewechselt wurde. An diese hatte der Alleingesellschafter ein betriebsnotwendiges Grundstück vermietet, so dass es zur Betriebsaufspaltung kam. Nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag des Formwechsels (§ 9 UmwStG) wurde das Grundstück weiter an die nun bestehende Personengesellschaft vermietet, wodurch es aus dem Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens in das Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft überführt wurde (§ 6 Abs. 5 Satz 2 EStG).

Beim nachfolgenden Verkauf des Mitunternehmeranteils innerhalb der Sperrfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG kam es dann zum Anfall von Gewerbesteuer, die ansonsten nach § 7 Satz 2 GewStG a.E. nicht angefallen wäre. Streitig war die Einbeziehung des „neu gebildeten“ Sonderbetriebsvermögens in diese Regelung. Der BFH hat diese – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Vorinstanz – abgelehnt. Nach Sinn und Zweck des § 18 Abs. 3 UmwStG sei keine „fortdauernde gewerbesteuerliche Verhaftung“ zu beachten – das Grundstück habe nicht zum Betriebsvermögen der übertragenden (bzw. hier „umwandelnden“) Kapitalgesellschaft gehört. Die gewerbesteuerliche Verstrickung in dem zuvor bestehenden Besitzeinzelunternehmen ist übrigens nach Meinung des BFH unbeachtlich (BFH v. 14.3.2024 – IV R 20/21, BeckRS 2024, 8869 Rn. 34).

Damit werden die Abgrenzungsfragen bezüglich des in § 18 Abs. 3 UmwStG einzubeziehenden Betriebsvermögens wieder aufkommen. Als der BFH das letzte Mal dazu entschieden hatte (BFH v. 20.11.2006 – VIII R 47/05, BStBl. II 2008, 69 und v. 20.11.2006 – VIII R 45/05, BFH/NV 2007, 793), ging es um das vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bei der übernehmenden Personengesellschaft vorhandene Betriebsvermögen – die restriktive Auffassung des BFH hatte der Gesetzgeber damals im Jahressteuergesetz 2008 (v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150) überschrieben. Wie die nun bezüglich des „neu gebildeten“ Betriebsvermögens restriktive Rechtsprechung vom Gesetzgeber aufgenommen wird, muss sich zeigen.

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