Bedingter Beweisantrag: Rechtsbeschwerdevortrag auch zur Bedingung nötig

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.03.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|777 Aufrufe

Rechtsbeschwerden einzulegen ist nicht ganz einfach, wenn sie mit der Verfahrensrüge begründet werden sollen. Hier ging es etwa um den bedingten Beweisantrag, der "vorsorglich" gestellt wurde. Wird nicht vorgetragen, wofür Vorsorge getroffen werden sollte, ist die Verfahrensrüge unzulässig erhoben. Die bedingung muss also vorgetragen werden. Praktischwerweise empfiehlt es sich natürlich bereits im Rahmen der Beweisantragsstellung an sich die Bedingung klar zu benennen, also etwa "Für den Fall, dass das Gericht zu einer Verurteilung gelangen will, wird beantragt....". Das KG hat richtigerweise den Finger in die Wunde gelegt:

 

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 9. November 2023 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

 Der Schriftsatz des Verteidigers vom 31. Januar 2024 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ergänzend bemerkt der Senat:

 1. Sachlich rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht angenommen, der festgestellte sog. qualifizierte Rotlichtverstoß (Dauer: 3,5 Sekunden) wiege objektiv besonders schwer und sei subjektiv weder auf ein Augenblicksversagen noch auf (sonstige) leichte Fahrlässigkeit zurückzuführen (UA S. 4). Bei der Ausübung des dem Tatrichter in Bezug auf das Regelfahrverbot (§ 25 Abs. 1 StVG) zustehenden Ermessens hat das Amtsgericht eine Bescheinigung der Beschäftigungsgeberin des (berenteten) Betroffenen berücksichtigt, in der es heißt, der Betroffene könne „ohne Fahrerlaubnis nicht weiter bei uns beschäftigt sein“. Diese Erklärung (einer Apothekerin) hat das Amtsgericht, rechtlich vertretbar und damit rechtsfehlerfrei, dahin gewertet, dass der Betroffene für das Ausfahren von Medikamenten eine Fahrerlaubnis benötige (UA S. 4). Einen belastbaren Aussagewert über die Bedeutung eines einmonatigen Fahrverbots, zumal in Anbetracht der zugebilligten Schonfrist von vier Monaten (§ 25 Abs. 2a StVG) (UA S. 4), hat es der Bescheinigung hingegen nicht beigemessen. Diese Ermessensausübung hält sich sowohl vor dem Hintergrund des festgestellten Handlungsunrechts als auch in Bezug auf das in der Tat zum Ausdruck kommende Erfolgsunrecht ohne Weiteres in dem dem Tatrichter zugebilligten Rahmen. Insbesondere wird die Ermessensausübung der rechtsetzenden Bedeutung des Bußgeldkatalogs gerecht, der bereits bei einem nur einsekündigen Rotlichtverstoß regelmäßig die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots vorsieht (Nr. 132. 3 BKat). Dass und warum das verwirkte Fahrverbot nicht im Jahresurlaub vollstreckt werden kann, hat der Betroffene ausweislich der Urteilsgründe im Erkenntnisverfahren nicht dargetan (UA S. 4).

 2. Die durch die Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe entgegen §§ 77 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 6 Satz 1 StPO einen Beweisantrag nicht beschieden, ist unzulässig (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Antrag, die Urheberin der vorgenannten Bescheinigung als Zeugin zu vernehmen, ist nur „vorsorglich“ gestellt worden. Die Rechtsbeschwerde hätte daher – innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist – vortragen müssen, unter welcher Bedingung die Antragstellung erfolgte und warum diese Bedingung eingetreten ist, sodass die Ablehnung nur durch einen Beschluss unter den Voraussetzungen der §§ 77 OWiG, 244 Abs. 3 StPO erfolgen durfte (vgl. BGH NStZ 2021, 382 und zuvor BGH NStZ-RR 1999, 1 bei Miebach/Sander; BGH NStZ-RR 2013, 349). Dies gilt umso mehr, als das Beweisbegehren bei verständiger, jedenfalls naheliegender Würdigung daran geknüpft war, dass der bescheinigte Inhalt vom Tatgericht nicht geglaubt wird. Tatsächlich hat das Tatgericht den bescheinigten Inhalt aber zumindest als wahr unterstellt, hieran aber nicht die vom Betroffenen gewünschte Schlussfolgerung geknüpft, er werde auch im Falle eines nur einmonatigen Fahrverbots entlassen.

 Im nachgereichten Schriftsatz bekundet die Verteidigung, der Beweisantrag sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass das Amtsgericht auf das verwirkte Regelfahrverbot erkennen werde. Diese Tatsachenerklärung zu einer erhobenen Verfahrensrüge ist verspätet (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 1 StPO). Auf die inhaltlich bestehenden Zweifel, dass dem Beweisantrag ein solcher Erklärungsgehalt tatsächlich beikommt und dieser auch erkennbar geworden ist, kommt es daher nicht an.

KG Beschl. v. 2.2.2024 – 3 ORbs 9/24, BeckRS 2024, 2109

 

Ohnehin ist es sicher fraglich, ob ein Rentner, dessen Hinzuverdienst auf dem Spiel stehen könnte, überhaupt erfolgreich  fahrverbotsrelevante Härten anführen kann....

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen